Gespächskreis
Zum Gesprächskreis wird am 2. und 4. Dienstag im Monat eingeladen.
Von 19.30 - 21 Uhr treffen sich Interessierte im Gemeindehaus.
Reformation
25.November 2025
Es ist immer wieder interessant, festzustellen, wie ein kleines Kind alles auf sich bezieht, alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Im Weltbild des Kleinkindes ist es selbst das Zentrum
des Universums. Seine Bedürfnisse stehen an erster Stelle. Die haben vor allem Mutter und Vater zu erfüllen. Lautstark wird Recht und Liebe eingefordert.
Alles, was ist, alles, was da ist, gibt es um meinetwillen.
Ein solches Selbstbewußtsein, ja Selbstliebe bezeugt der Psalmbeter in der heutigen Losung: Der Herr wird’s vollenden um meinetwillen. Psalm 138,8
Hiermit hätten wir einen Beleg für das neutestamentliche: Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. Vor allem dieser kleine Appendix „wie dich selbst“ wird ja meist geflissentlich übergangen.
Es ist nicht anmaßend, sondern Ausdruck der tiefen Glaubensgewißheit, wenn der Beter, der Gläubige, überzeugt ist: Alles für mich. Was für einen Aufwand Gott betreibt, um mich zu gewinnen, um mich zu retten, um mich zu vollenden!
Ist das nicht letztlich die Botschaft des Neuen Testaments?
In diese Richtung legt M.Luther den 2.Artikel des Glaubensbekenntnisses aus (Gott mich geschaffen,mein Herr, mich verlorenen Menschen erlöst hat, damit ich sein eigen sei).
Gott setzt Himmel und Erde in Bewegung wegen einer, wegen jeder Seele.
Wenn das nicht das Selbstbewußtsein, das Selbstwertgefühl stärkt!
Alles für mich! Er wird’s vollenden um meinetwillen.
L i e d : 351, 1 – 4 Ist Gott für mich
G e b e t
Reformation
Dolmetschen – wie wird richtig übersetzt ?
Luther hat bekanntlich das Neue Testament in der Zeit seines Aufenthalts auf der Wartburg übersetzt.
Dorthin war er vom Kurfürsten nach dem Reichstag zu Worms 1521 in Sicherheit gebracht worden. Der Kaiser und die Papstgesandten hatten erwartet, dass Luther sich von seinen Schriften distanziert und seine Lehre als falsch widerruft.
Aus der Rede Luthers auf dem Reichstag:
„Allerdurchlauchtigster Kaiser, durchlauchtigste Fürsten!
Eure geheiligte Majestät hat mir gestern zwei Fragen vorgelegt: ob ich die unter meinem Namen verbreiteten Schriften, deren Titel verlesen wurden, als die meinigen anerkenne und ob ich sie weiter vertreten oder widerrufen werde. Auf die erste Frage habe ich sofort die klare Antwort gegeben […]: Es sind meine von mir unter meinem Namen veröffentlichten Schriften. […]
Auf die zweite Frage bitte ich Eure geheiligte Majestät und Eure Herrschaften, darauf zu achten, daß meine Schriften nicht alle von derselben Art sind. In einigen habe ich Glauben
und Sitten so schlicht und evangelisch behandelt, daß selbst meine Gegner zugeben müssen: Sie sind nützlich, unschädlich und wert, von Christen gelesen zu werden. […]
Die zweite Art meiner Schriften bekämpft das Papsttum und was dazugehört, weil die Papisten mit ihren schlechten Lehren und Beispielen den christlichen Erdkreis geistlich und leiblich zugrunde gerichtet haben. […]
Die dritte Art Schriften sind die, die ich gegen einzelne Privatpersonen gerichtet habe, die es unternommen haben, für die römische Tyrannei einzutreten […].
Wenn Eure Majestät und Herrschaften denn eine einfache Antwort verlangen, so werde ich sie ohne Hörner und Zähne geben.
Wenn ich nicht durch Schriftzeugnisse oder einen klaren Grund widerlegt werde – denn allein dem Papst oder den Konzilien glaube ich nicht; es steht fest, daß sie häufig geirrt und sich auch selbst widersprochen haben –, so bin ich durch die mir aufgeführten Schriftworte überwunden. Und da mein Gewissen in den Worten Gottes gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es gefährlich und unmöglich ist, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“
Aussprache
- daraus spricht viel Selbstbewußtsein. Finde interessant, wie kämpferisch Luther ist. Heutzutage wird einem, wenn man argumentiert, der Vorwurf gemacht, man wolle es besser wissen. Luther wußte es besser.
- Er steht dazu.
- Er könnte doch darüber stolpern, dass der Mensch (auch) über Werke beurteilt wird. Dazu gibt es Bibelausgaben. Ich staune, wie er darauf beharrt: die Schrift. So zu argumentieren, ist nicht mein Ding.
- Er ist uns in manchem voraus. Vom Typ her ist mir Luther unverständlich.
- Ich dagegen mag ihn sehr.
- Es ist bei ihm etwas anderes, als wenn wir unsere steilen Thesen vertreten. Er hat gesagt, was er gehört hat, von woanders her gehört.
- So etwas wie die Gewißheit der Propheten.
- Warum gerade in jener Zeit?
- Weil die Zeit erfüllt war.
- Die Menschen sind einfach gefolgt. Ihnen wurde etwas vorgestellt, aber die Bibel kannten sie nicht, das Wort war ihnen nicht wirklich gegeben. Wir dagegen können heute das Wort lesen.
- Man wird durch Glaube und Werke selig.
- Luther hat keine schlechten Motive gehabt.
- Sein Motiv war sein Gewissen, die Bindung an das Wort.
- Er hat auch daran gelitten.
- Er war frei von schlechten Motiven. Die anderen hatten durchaus nicht gute Absichten.
- Sie wollten das Volk dumm halten. Bzw. man wollte dem Volk Interpretation vorgeben. Weil die Schrift auch schwierig zu verstehen ist.
- der einzelne Mensch ist völlig überfordert.
- Auf den Bauch hören. Auf den Verstand.
- Wir haben zudem den Heiligen Geist.
- Ich war mal in einer Versammlung. Es ging hin und her. Man wollte die Leitung festlegen. Einer empfahl die Wahl. Antwort aus der Runde: Das ist nicht biblisch. Das hat mich irritiert, denn ich wußte, das ist falsch, aber der biblische Beleg fiel mir nicht ein. Monate später. Ich sitze in einer Kirche. Auf einem Plakat wird auf die Wahl hingewiesen. Auf einmal fiel mir Apostelg. 1 ein (Die Wahl des Apostels Matthias) und Apostel. 6 (Die Wahl der Armenpfleger). Das war die Wirkung des heiligen Geistes.
- Zur Zeit Luthers konnten die meisten Menschen nicht lesen.
- Sie konnten nicht lesen – und dennoch haben sie auf Aufrufe reagiert. Mancher Ausspruch selbt auf Latein hat die Menschen motiviert, wie etwa in eine Schlacht zu ziehen.
- Luther hatte wohl die innere Eingebung, so zu handeln.
- Das Selbstbewußtsein Luthers ist durchaus besonders. Bei der Bilderstürmerei in Wittenberg haben alle darauf gewartet, dass Luther kommt und Vorgaben macht. Selbstbewußtsein aus der Führung Gottes heraus.
Als Luther von der Wartburg nach Wittenberg zurückgekehrt war, hat er seine Tätigkeit als Professor wieder aufgenommen. Nach und nach hat er sich auch des Alten Testaments angenommen und sich um die Übersetzung aus dem Hebräischen bemüht. Erst 1534 sollte die gesamte Bibel in deutscher Übersetzung vorliegen. Die Schweizer Reformatoren hatten ihre Übersetzung bereits 1531 fertiggestellt.
Nicht nur um Sätze, sondern auch um einzelne Begriffe rang Luther mitunter tagelang.
Er übersetzte nicht, wie bis dahin üblich, Wort für Wort aus der Ursprache, sondern er suchte nach dem Sinn der Aussage.
Nach welcher Methode er bei der Übersetzung vorgegangen ist, hat er in seiner Schrift „Sendbrief vom Dolmetschen“ von 1530 erläutert. Er geht auf den Vorwurf ein, er würde nicht wortgetreu übersetzen.
Doch bevor wir uns einen Ausschnitt zu Gemüte führen, wollen wir selber einen Vers aus dem Lateinischen übersetzen. Mal sehen, was dabei herauskommt.
Dominus regit me et nihil mihi deerit
Dominus pascit me et nihil mihi deerit
Dominus = Herr, Gebieter
regit (von regere) = lenken, leiten, regieren (3. Person Singular Indikativ)
pascit = hüten (3. Person Singular Indikativ)
me = mich (Akkusativ von ego – ich)
et = und
nihil = nichts
mihi = mir (Dativ von ego – ich)
deerit (deesse) = fehlen, abwesend sei (3. Person Singular Indikativ)
Zwei spontane Übersetzungen:
Der Herr leitet mich und nichts fehlt mir.
Herr, lenke mich und sei nicht abwesend!
Kommentar: Der Satz ist kein Imperativ (keine Aufforderung), sondern ein Indikativ (Aussage), also: Der Herr regiert mich, Der Herr hütet mich.
Es ist der Anfang von Psalm 23: Der Herr ist mein Hirte...
Sendbrief zum Dolmetschen
Gnad und Friede in Christo. Ehrbarer, umsichtiger, lieber Herr und Freund! Ich habe eure Schrift empfangen mit den zwo Quästionen oder Fragen, darin ihr meines Berichts begehrt: Erstlich warum ich »An die Römer« im dritten Kapitel (28) die Worte Sankt Pauli: »Arbitramur hominem iustificari ex fide absque operibus« also verdeutscht habe: »Wir halten, daß der Mensch gerecht werde ohn des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben« – und daneben anzeigt, wie die Papisten sich über die Maßen ereifern, weil im Text Pauli nicht stehet das Wort »sola« (allein) und man dürfe solchen Zusatz bei Gottes Worten von mir nicht dulden usw.; zum zweiten: Ob auch die verstorbenen Heiligen für uns bitten, weil wir lesen, dass sogar die Engel für uns bitten…
Man muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden, wie diese Esel tun, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen; da verstehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet.
So wenn Christus spricht: »Ex abundantia cordis os loquitur.« Wenn ich den Eseln soll folgen, sie werden mir die Buchstaben vorlegen und so dolmetschen: Aus dem Überfluss des Herzens redet der Mund. Sage mir, ist das deutsch geredet? Welcher Deutsche verstehet solches? Was ist Überfluss des Herzens für ein Ding? Das kann kein Deutscher sagen, es sei denn, er wollte sagen, es bedeute, daß einer ein allzu groß Herz habe oder zuviel Herz habe; wiewohl das auch noch nicht recht ist, denn Überfluss des Herzens ist kein Deutsch, so wenig als das Deutsch ist: Überfluss des Hauses, Überfluss des Kachelofens, Überfluss der Bank, sondern so redet die Mutter im Haus und der gemeine Mann: Wes das Herz voll ist, des gehet der Mund über. Das heißt gutes Deutsch geredet, des ich mich beflissen und leider nicht allwege erreicht noch getroffen habe, denn die lateinischen Buchstaben hindern über die Maßen sehr, gutes Deutsch zu reden.
Da der Engel Mariam grüßet und spricht: Gegrüßet seist du, Maria voll Gnaden, der Herr mit dir. Nun wohl, so ist’s bisher einfach dem lateinischen Buchstaben nach verdeutschet. Sage mir aber, ob solchs auch gutes Deutsch sei? Wo redet der deutsche Mann so: Dubist voll Gnaden? Und welcher Deutscher verstehet, was das heißt: voll Gnaden? Er muss denken an ein Fass voll Bier oder Beutel voll Geldes; darum hab ich’s verdeutscht: Du Holdselige, worunter ein Deutscher sich sehr viel eher vorstellen kann, was der Engel meinet mit seinem Gruß.
Weitere Beispiele für Luthers Ringen um die richtige Übersetzung:
Psalm 90,12
Handschriftliche Fassung 1524:
Dass wir unser Tage zählen, so tu uns kund;
so wollen wir kommen mit weisem Herzen.
Erste Druckfassung 1524:
Lass uns wissen die Zahl unser Tage,
dass wir eingehen mit weisem Herzen.
Revidierte Fassung ab 1531:
Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen,
auf dass wir klug werden.
Die erste Fassung ist noch sehr wörtlich, die Fassung von 1531 ist schon recht frei übersetzt. Man kann hier sehen, wie Luther nicht nur um die treffende deutsche Formulierung, sondern zugleich um die Erfassung des Textsinnes ringt. Beides geht bei ihm häufig Hand in Hand.
Psalm 63,6
Erste Druckfassung 1524:
Lass meine Seele voll werden wie mit Schmalz und Fettem,
dass mein Mund mit fröhlichen Lippen rühme.
Revidierte Fassung ab 1531:
Das wäre (ist) meines Herzens Freude und Wonne,
wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben sollte (kann).
Luther selbst begründet die Änderung in den „Summarien über die Psalmen“: „Weil solchs (d. h. die erste Fassung) kein Deutscher versteht, haben wir lassen fahren die hebräischen Wort’ (Schmalz und Fett, womit sie Freude bezeichnen, gleichwie ein gesund, fett Tier fröhlich und wiederum ein fröhlich Tier fett wird, ein traurig Tier abnimmt und mager wird und ein mager Tier traurig ist) und haben klar Deutsch gegeben.“
Psalm 23,1-3
Mentelin-Bibel 1466, übersetzt aus dem Lateinischen:
Der Herr, der richt’ mich, und mir gebrast (= mangelt) nicht,
und an der Statt der Weide da setzt er mich.
Er führte mich ob dem Wasser der Wiederbringung, er bekehrt’ mein Seel.
Er führt mich aus auf die Steig der Gerechtigkeit um seinen Namen.
Luthers Handschrift:
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er lässt mich weiden in der Wohnung des Grases
und nähret mich am Wasser guter Ruhe.
Er kehret wieder meine Seele,
er führet mich auf rechtem Pfad um seins Namens willen.
Erstdruck der Psalmen 1524:
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er lässt mich weiden, da viel Gras steht,
und führet mich zum Wasser, das mich erkühlet.
Er erquicket meine Seele,
er führet mich auf rechter Straße um seins Namens willen.
Psalmenrevision 1531:
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Auen
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele,
er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Aussprache
- In den deutschen Übersetzungen gibt es Abweichungen. Beispiel Jona 1: Die Seeleute hatten große Angst. Um die Gefahr abzuwenden, warfen sie die Ladung über Bord. In der Elberfelder Übersetzung: sie warfen die Ausrüstung über Bord. Im Hebräischen geht es um mehr als die Ladung. Das drückt stärker die Gefahr und Not aus. Luther hat, indem er mit Ladung übersetzt, die Dramatik gemindert.
- Hat das Schiff das überlebt?
- Erst nachdem Jona über Bord geworfen wurde.
- Die Stelle ist nicht wirklich wichtig. Das Beispiel steht für die unterschiedliche Übersetzung.
- Das Schwerere ist die Ladung. Es ist unlogisch, dass nur die Ausrüstung über Bord geworfen wird. Die Ladung macht das Schiff leichter.
- Ich nehme an, dass die Ladung weg ist und dann die Ausrüstung hinterher.
- Das steht aber nicht da.
- Die Sprache bietet verschiedene Nuancen.
- Vielleicht ist die Ausrüstung im heutigen Verständnis etwas anderes als damals.
- Man kann nicht alles auf eine glatte Lösung bringen.
- Für eine Sache gibt es mehrere Begriffe, Begriffe, die eng zusammenpassen.
- Wir haben mal in der Bibelstunde mehrere Übersetzungen vorliegen gehabt. Das hat uns geholfen, um die Bedeutung zu erfassen.
- Wir sind in dem Dilemma, dass es einerseits schade ist, wenn Wörter in Vergessenheit geraten und andererseits ist es ein ungeheurer Wert, wenn man eine Stelle versteht.
- Ich denke, die Voraussetzung ist, dass ich es verstehen will.
- Luther hat viele Leute mit seiner Übersetzung berührt.
- Die Lutherübersetzung ist melodiöser, poetischer als manche andere.
- Du kannst niemanden zwingen, die Bibel zu lesen.
- Gott fängt durch die Worte.
- Egal welche Übersetzung. Wenn es einen packt, dann packt es.
- Lutherbibel hat auch eine kulturelle Auswirkung. Man denke an die geistliche Musik, etwa von J.S.Bach. Die Texte sind der Lutherbibel entnommen.
- auch bei anderer Musik kommt biblische Sprache zum Tragen, etwa in der Metal-Szene.
- aber nicht jene nach Luther. Es gibt heavy-metal, extreme-metal, black-metal.
- Es gibt auch christlicher metal, also Musik mit geistlichem Inhalt.
- Es geht aber nicht nur um den Text, sondern auch um die Schwingung der Musik. Es ist belegt, dass die Schwingungen andere Bereiche im Menschen ansprechen, als das der Text tut. Insofern kann die Musik das Gegenteil vom Text sein.
- Zurück zum Anfang. Der Herr wird’s vollenden um meinetwillen. Das drückt auch das folgende Lied aus.
L i e d : 615, 1 – 2 Ich bete an die Macht der Liebe
Vaterunser